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„Stadt nutzt ihre Möglichkeiten nicht“

Rostocker Stiftung will kulturelle Vielfalt fördern und öffentliche Diskussionen anregen
In der vergangenen Woche gründeten zwölf Rostocker Persönlichkeiten den Verein „Freunde und Förderer der Kulturstiftung Rostock“. Der OSTSEE-ANZEIGER sprach mit dem Vorsitzenden, Herrn Professor Wolfgang Methling.
Herr Methling, wieso glauben Sie, dass die Stadt so einen Verein und diese Stiftung nötig hat?
Rostock nutzt seine kulturellen Möglichkeiten nicht. Was hier passiert ist in der Quantität vielleicht ausreichend. Aber in der Qualität zu wenig attraktiv. Gegenwärtig dominieren Finanzdiskussionen. Dabei steht auf der einen Seite die Verwaltung und auf der anderen stehen die Opfer, die von der Verwaltung immer weniger Geld bekommen. Auf diese Weise verhindern sich inhaltliche Fragestellungen einfach von selbst. Wir wollen hier die Möglichkeit eines Freiraumes schaffen.
Was soll in diesem Freiraum entstehen?
Öffentliche Dialoge über Kulturinhalte und Werte gegenüber einem schlechten Zeitgeist. Zunächst sind uns drei Themen besonders wichtig. Zum Einen soll es um Stadtentwicklung gehen, Architektur im weitesten Sinne. Wir haben in den letzten Jahren erleben müssen, dass der hanseatische Charakter Rostocks verloren geht, zwischen immer mehr Bauten aus Stahl und Glas. Darüber muss es wieder öffentliche Diskussionen geben, die auch etwas bewirken. Zum Zweiten muss es eine Diskussion geben über den Stellenwert von Rostocker Kunstwerken, die jetzt in Depots liegen. Ich meine nicht nur Werke, die zur DDR-Zeit entstanden, sondern ausdrücklich auch die der dreißiger und vierziger Jahre. Zum Dritten wollen wir zu einer Diskussion über ethisch-moralische Werte in der Gesellschaft gelangen.
Seit der Stammzellendebatte, Erfurt und dem 11. September redet man doch über nichts anderes.
Als Konrad Reich, Jo Jastram, Horst Klinkmann und ich im Jahr 2000 begannen Mitstreiter zu suchen, haben wir erlebt, wie allen, die wir angesprochen haben, das Herz übergelaufen ist. Wichtige Probleme Rostocks kommen in den Medien nicht vor. Ich überspitze es mal; Wir sind in der Situation, dass man sich über neue Glaspaläste freuen muss, weil man sonst Touristen verprellender Wirtschaftsschädling ist. Das ist auf Dauer nicht gut für die Stadt. Hier wollen wir ein Forum schaffen für einen gesellschaftspolitischen und ethisch-moralischen Diskurs, der endlich an die Substanz geht. Der zum Beispiel nach den Ereignissen von Erfurt die Frage stellt, was das denn für ein gesellschaftlicher Grundwert ist, nach dem freie Bürger selbstverständlich auch eine Waffe besitzen dürfen? Oder über den kulturellen Wert der Freizügigkeit des Angebotes an Gewaltdarstellungen in Film, Fernsehen und Computerspielen.
Ihre Partei ist die PDS, Sie sind der Umweltminister des Landes...
Für die Stiftung bin ich Wolfgang Methling, ein kulturpolitisch interessierter Bürger. Niemand im Verein wird seine Position zu persönlichen Vorteilen nutzen. Das Forum ist offen für alle, die guten Willens sind, mitzumachen. Es wird sicher auch Reibungspunkte mit der Verwaltung geben, dann hoffen wir, dass wir fair miteinander umgehen und etwas produktives beitragen können. Von unserem Forum sollen ja eher Ideen kommen und erst danach – wenn wir meinen, es müsste sein – Widerstand gegen bestimmte Entwicklungen. Das alles ohne parteipolitische Hintergründe.


Sie sind alle über vierzig und haben nur eine Quotenfrau im Verein.
Wir sind zwölf ganz verschiedene, meistens im Rostocker Kulturleben bekannte Persönlichkeiten, Religionspädagogin Szagun ist keine Quotenfrau. Es steht kulturinteressierten Frauen frei, diesen Prozentsatz zu ihren Gunsten zu verändern. Ehrlich gesagt: Wir hoffen darauf. Einer unserer Hauptbeweggründe, diesen Verein zu gründen, ist die Abwanderung der Jungend aus Rostock und dem Land. Wir haben eine merkwürdige Situation: Wer sich in der Wirtschaft oder Kultur der jugend zuwenden will, der meint, gleichzeitig geistig verflachen zu müssen. Nur noch Fun auf allen Kanälen, Dummheit ist cool, Brutalität der alltägliche Problemlöser. So vorherrschend dieses Bild auch ist, wir glauben, es ist falsch. Es bedeutet nur, dass die Älteren ihre Jugend und Ihre Suche nach dem Sinn ihres Lebens nicht mehr ernst nehmen. Ob wir Alten die neuen Musikstile als hörbar empfinden, das ist eine nebensächliche Frage.
Wie wollen Sie das ändern?
Da ist das erwähnte Forum für Diskussionen, das der Verein schaffen will. Zum Anderen ist da die Stiftung, die wir aufbauen wollen. Der Verein hat das Ziel, für diese Stiftung Kapital einzuwerben von dessen Zinsen wir z.B. die Vergabe eines alternativen Kulturpreises finanzieren können. Wir denken an Projekte wie die Nordischen Literaturtage. Es braucht eine Menge Geld, bevor eine solche Stiftung tatsächlich wirksam werden kann. Bis wir soweit sind, haben wir sicher mehr Ideen auf dem Tisch, als wir verwirklichen können. Aber dann ist eine solide finanzierte und kontinuierliche Förderung möglich. Mit kleinen Beträgen ist oft schon viel getan.
Nun ist ja der Beitrittsbeitrag in den Verein mit 500 Euro eine recht kostspielige Angelegenheit.
Ja, und alles nur, damit man danach noch mehr Arbeit hat. Aber wir müssen Stiftungskapital zusammenbringen und außerdem soll damit auch der persönliche Willen, etwas zu verändern, dokumentiert werden. Gerade durch diese Summen verhindern wir, dass wir ein elitärer Diskutierklub werden. Niemand bezahlt dieses Geld, um hinterher im eigenen Saft zu schmoren. Das kann er – oder sie – billiger haben.
Danke für das Gespräch. FS

OSTSEE-ANZEIGER, 29.05.2002


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